Griechenland-Rettung
Wer kassiert unser Geld?
Um Griechenland zu retten, zahlt Deutschland Milliarden – niemand ahnt, bei welchen Empfängern sie landen.
Am Tag, an dem das deutsche Geld nach Griechenland kommt, sperrt Kostas Mpichtas um halb acht seinen kleinen Laden am Hafen von Piräus auf, wie jeden Morgen. Er rückt Kisten mit Tomaten zurecht, räumt Milchtüten in die Regale und Schokolade für die Kinder. Schon als kleiner Junge lief er in diesem Laden herum, der vor ihm seinem Vater gehörte und davor seinem Großvater. Heute ist Kostas Mpichtas ein 40-jähriger, etwas dicklicher Mann, und er ist der Pleite nahe. So wie sein Land.
Die große griechische Krise, sagt Mpichtas, begegne ihm jeden Tag. Sie kommt mit seinen Kunden, mit den Hausfrauen und Hafenarbeitern: Sie reden mit ihm. Sie schauen sich um. Sie kaufen nichts mehr.
Jetzt aber müsste es aufwärtsgehen. Es ist Mittwoch, der 16. März 2011, der Tag der bisher letzten Geldlieferung aus Deutschland. 8,4 Milliarden Euro hat die Bundesregierung bis heute als Kredit nach Athen überwiesen. Deutsche Hilfe für Griechenland. Rein rechnerisch 743 Euro für jeden der 11,3 Millionen Griechen. Davon kann man viel Gemüse kaufen.
An einem Abend drei Monate später sperrt Kostas Mpichtas seinen Laden zu. Er hat ein paar Gurken verkauft, Tomaten, Milch, Käse. Der Tag war so wie jeder andere Tag seit Beginn der Krise. Genauso schlecht.
Das Geld der deutschen Steuerzahler ist an Kostas Mpichtas und dessen Kunden vorbeigeflossen. Jemand anders muss es bekommen haben. Aber wer?
Befeuert von Talkshows und Boulevardzeitungen, streitet sich die halbe Bundesrepublik seit Wochen darüber, ob die Deutschen den Griechen noch einmal Geld leihen sollen, um sie vor der Staatspleite zu schützen. »Verkauft doch eure Inseln!«, schreibt die Bild-Zeitung. »So verbrennen die Griechen die schönen Euros.« Und: »Sehen wir unsere Milliarden nie wieder?«
Wem helfen die Milliarden für Griechenland? Den Griechen? Den Deutschen? Oder niemandem? Was ist mit dem Geld geschehen, das Kostas Mpichtas’ Laden am Hafen von Piräus nicht erreicht hat? Wo sind die 8,4 Milliarden Euro?
Man kann sich diesen Fragen abstrakt nähern, Modelle und Szenarien entwerfen, sich in der Welt der Theorie bewegen. Man kann die Antwort aber auch in der Wirklichkeit suchen.
Der Weg des Geldes führt zu Beginn in einen Glasturm in Frankfurt am Main, vor dem ein großes, blau leuchtendes Euro-Zeichen steht. Es ist der Eurotower, der Sitz der Europäischen Zentralbank. Hierher überweist die deutsche Staatsbank KfW am 16. März im Auftrag der Bundesregierung 600 Millionen Euro, den letzten Teil der 8,4 Milliarden. Das Geld geht auf dem EZB-Konto mit der Nummer 405099200 ein. Von dort fließt es noch am selben Tag weiter an die Griechische Zentralbank. Damit alles seine Ordnung hat, ist – wie bei einer gewöhnlichen Überweisung – auch diesem Transfer ein Verwendungszweck angefügt: »Euro Area Stability Support to Greece«.
Das Geld ist nun also in Athen, die Griechische Zentralbank leitet es weiter an das Finanzministerium. Es ist nicht mehr weit entfernt von Kostas Mpichtas’ Lebensmittelladen in Piräus. Es gehört jetzt den Griechen.
»Den Griechen? Nicht wirklich«, sagt Petros Christodoulou. Bei Christodoulou, 52, kommt derzeit ziemlich viel Geld zusammen. Es stammt aus Deutschland, Frankreich, Belgien, Finnland, Italien. 43 Milliarden Euro seit vergangenem Sommer.
Den Umgang mit solchen Summen ist Christodoulou gewohnt. Er war früher Investmentbanker. Er hat bei der Schweizer Großbank Credit Suisse gearbeitet, bei den US-Banken JP Morgan und Goldman Sachs. Dann hat er gekündigt. Er wollte lieber seinem Land dienen.
Christodoulou arbeitet heute für die griechische Regierung und leitet die Finanzagentur PDMA, das Schuldenbüro des Finanzministeriums. Er ist verantwortlich dafür, dass Griechenland seine Verbindlichkeiten begleicht. Dafür braucht er die 43 Milliarden. Er sagt: »Wir sind gezwungen, das Geld gleich weiterzuüberweisen, an die Besitzer unserer Anleihen.«
Um diesen Satz zu verstehen, muss man sich für einen Moment aus der griechischen Krise ins italienische Mittelalter begeben. Im 13. Jahrhundert führte Florenz Krieg gegen Venedig, Venedig kämpfte gegen Genua. Die Stadtstaaten mussten Söldner finanzieren, Schwerter und Lanzen bezahlen, aber ihre Kassen waren leer. Also kamen die Regenten, selbst Kaufleute, auf die Idee, sich Geld von den eigenen Bürgern zu leihen. Als Gegenleistung erhielt jeder Gläubiger ein Papier, auf dem stand, wie viel der Staat ihm schuldet, zuzüglich Zinsen. Es war die Erfindung der Staatsanleihe, damals prestanze oder prestiti genannt.
Heute leben Florenz, Venedig und Genua im Frieden miteinander. Staatsanleihen aber gibt es immer noch. Sie haben sich seit damals kaum verändert. Nur heißen sie nicht mehr prestanze oder prestiti, sondern zum Beispiel GR 0124017519.
Diesen Schuldschein hat der griechische Staat am 31. Mai 2001 ausgegeben, 417 Millionen Euro hat er dafür bekommen. Geld, das die Regierung vielleicht dazu benutzte, um Lehrer zu bezahlen oder Straßen zu bauen – und Geld, das Griechenland jetzt, mitten in der Krise, zurückzahlen muss. Denn am 31. Mai 2011 lief die Anleihe aus. Und Petros Christodoulou musste zahlen.
So wie am Tag zuvor und am Tag danach, so wie an fast jedem Tag in diesen Monaten. 285 Milliarden Euro – so hoch hat sich der griechische Staat mithilfe seiner Anleihen verschuldet. Beinahe täglich müssen Zinsen überwiesen, Anleihen beglichen, Gläubiger ausbezahlt werden. Dafür braucht Christodoulou das deutsche, französische oder italienische Geld, das wieder nur geliehen ist. Oft bleiben die Milliarden bloß Stunden oder Tage in seinen Händen, dann überweist Christodoulou das Geld weiter. Nur ein sehr kleiner Teil geht direkt an griechische Bürger, etwa an Beamte, deren ausstehende Gehälter der Staat begleichen muss. Der große Rest der 8,4 Milliarden Euro aus Deutschland, der 43 Milliarden aus der gesamten Euro-Zone, aber fließt weiter: an die Besitzer der Schuldscheine mit den Buchstaben GR am Anfang.
Doch wer sind diese Besitzer? Wer kassiert das deutsche Steuergeld?
Es gibt keine offiziellen Daten dazu. Aber es gibt eine Liste, die in diesen Tagen in deutschen Ministerien kursiert und die auch der ZEIT vorliegt. Die Namen der wichtigsten Gläubiger Griechenlands stehen darauf – daneben die Summen, die der griechische Staat ihnen schuldet. Die Liste gleicht einer Landkarte, auf der sich die Route des Geldes verfolgen lässt.
Ein Gutteil der Milliarden, die Petros Christodoulou von seinem Büro aus losschickt, kommt demnach nur ein paar Kilometer weit. Das Geld bleibt im Großraum Athen. Es fließt nicht zum Lebensmittelladen von Kostas Mpichtas, sondern zu griechischen Banken wie der National Bank of Greece, der Piräus Bank und der EFG-Bank.
In den vergangenen Jahren haben diese Banken ihrem eigenen Staat Geld geliehen. Sie haben griechische Staatsanleihen gekauft, immer wieder. Der griechische Staat ist von diesen Geldhäusern inzwischen so abhängig wie ein kleiner Handwerker von seiner Hausbank.
Wenn ein Handwerker bankrott ist, wünscht er nichts mehr als den Schuldenschnitt, die große Befreiung von allen Verbindlichkeiten. Auch in der Griechenlandkrise ist viel von einem Schuldenschnitt die Rede. Der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou könnte vor die Kameras treten und verkünden: Wir zahlen nichts mehr, wir sind bankrott, es ist vorbei.
Doch Papandreou sagt nichts dergleichen. Er will die Schulden zurückzahlen, so aussichtslos das scheint. Denn er weiß, wie viele Staatsanleihen die großen Banken seines Landes besitzen. Würde der griechische Staat ihnen kein Geld mehr überweisen, wäre er zwar einen Gutteil seiner Schulden los. Dafür wären die griechischen Banken pleite. Und dann die griechischen Unternehmen, die bei den Banken keine Kredite mehr bekämen.
Der griechische Staat wäre nicht mehr bankrott, aber dafür die griechische Wirtschaft. Das ist der Unterschied zwischen einem Handwerker und einem Ministerpräsidenten. Der eine macht ein gutes Geschäft, wenn er seine Verbindlichkeiten nicht begleicht. Der andere macht alles noch schlimmer.
48 Milliarden Euro schuldet der griechische Staat den griechischen Geldhäusern. So steht es auf der in Berlin kursierenden Liste. Bleiben Staatsanleihen in Höhe von 237 Milliarden. An ihre Besitzer fließt der Großteil des deutschen Steuergeldes. Oft legt es einen weiten Weg zurück.
Im Mittelalter wurden staatliche Schulden national beglichen: Der Schuldner war die Regierung von Florenz, die Gläubiger waren die Bürger von Florenz. Heute verkauft fast jeder Staat seine Anleihen überall auf der Erde, an jeden, der sie haben will. Das Geld des eigenen Volkes reicht oft nicht mehr aus, um einen Staat zu finanzieren.
Griechische Anleihen wollten viele haben in den vergangenen Jahren. Griechenland schien finanztechnisch ein reizvolles Land zu sein: Mitglied der Euro-Zone, ordentliches Wirtschaftswachstum, niedrige Inflation. Banken aus Singapur und Hongkong transferierten Geld nach Athen, Investmentfonds aus New York und Luxemburg kauften Anleihen – und auch der Arbeitgeber von Jörg Ladwein aus Stuttgart.
Ladwein, 44, gelernter Bankkaufmann und Betriebswirt, ist Anlagechef der Allianz Leben, dem größten deutschen Lebensversicherer. Sein Job ist es, das Vermögen seiner Kunden zu vergrößern.
Acht Millionen Bundesbürger haben eine Lebensversicherung bei der Allianz abgeschlossen. Facharbeiter und Verkäuferinnen, Architekten und Anwälte. Sie alle überweisen dem Konzern jeden Monat einen Teil ihres Einkommens. 150 Milliarden Euro haben die Kunden der Versicherung anvertraut. Ladwein legt das Geld möglichst so an, dass es sich vermehrt. Einmal im Jahr erhalten die Kunden einen Brief, in dem steht, wie viel Kapital der Konzern für sie erwirtschaftet hat.
War Ladwein gut, steht in den Briefen eine hohe Prozentzahl. War er schlecht, ist sie niedrig. Bis zu eine Milliarde steckte die Allianz Leben in den vergangenen Jahren in Anleihen aus Griechenland.
Fließt also ein Teil des deutschen Steuergelds, mit dem Petros Christodoulou in diesen Tagen die Schulden seines Landes begleicht, zurück nach Deutschland? Zu Jörg Ladwein und den Kunden der Allianz? So wäre es, wenn Staatsanleihen nur Schuldscheine wären. Aber sie sind auch Waren, die man verkaufen kann, genau wie Aktien.
Als im November 2009 bekannt wurde, in welchen Schwierigkeiten Griechenland steckt, wurde vielen Investoren die Sache zu riskant. Ministerpräsident Papandreou hatte verkündet, das griechische Haushaltsdefizit werde deutlich höher ausfallen als im Vorjahr. Wenig später kam heraus, dass Griechenland das wahre Ausmaß seiner Schulden jahrelang verschleiert hatte. Würde das Land die Milliarden jemals zurückzahlen können?
Wer auch immer die griechischen Staatsanleihen gekauft hatte: Er konnte sich seines Geldes nicht mehr sicher sein.
Also fing die Allianz an, sich von den Anleihen zu trennen. Genauso wie Banken und Investmentfonds rund um die Welt. Alle wollten sie ihre Gewinne schützen – und das Vermögen ihrer Kunden.
Nur Griechenland schützten sie nicht, im Gegenteil. Wenn eine Regierung keine Käufer mehr für neue Anleihen findet, hat sie nur eine Möglichkeit: Sie muss Investoren höhere Zinsen versprechen. Und dann noch höhere. Das aber lässt die Schulden weiter steigen und damit die Wahrscheinlichkeit des Bankrotts. Was wiederum die Anleger davon abhält, Anleihen zu kaufen. Ein Teufelskreis. Am 4. Mai 2010 traten deshalb Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und Josef Ackermann, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank, im Finanzministerium vor die Öffentlichkeit, neben sich die Deutschlandfahne und das Sternenbanner der Europäischen Union. Die Finanzwirtschaft werde Griechenland nicht im Stich lassen, beteuerten der Minister und der Banker.
Die deutschen Geldhäuser hielten zu diesem Zeitpunkt griechische Anleihen im Wert von 15,8 Milliarden Euro. Anstatt sie abzustoßen, wollten sie den Teufelskreis durchbrechen und die Papiere »nach aller Möglichkeit« behalten. So stand es in der gemeinsamen Erklärung, die Bundesregierung und Finanzwirtschaft veröffentlichten.
Ein Jahr später steht auf der Gläubigerliste: Die deutschen Banken besitzen noch immer griechische Anleihen. Ein Teil der 8,4 Milliarden Euro, die von Frankfurt nach Athen überwiesen wurden, kommt also tatsächlich nach Deutschland zurück. Zur Commerzbank, die griechische Anleihen in Höhe von 2,9 Milliarden Euro hält, zur Deutschen Bank, die Anleihen im Wert von 1,6 Milliarden besitzt. Es fließt auch nach Frankreich, zur Bank BNP (Anleihen im Wert von 5 Milliarden), nach Italien, zur Generali (3 Milliarden) und in die Niederlande zur ING (1,4 Milliarden). Es fließt zu fast allen großen Geldhäusern der Welt.
Aus der Liste geht aber auch hervor: Die Banken sind auf der Flucht. Sie glauben nicht, dass die Regierungen der Euro-Zone dauerhaft für Griechenlands Schulden aufkommen werden. Seit dem Treffen im Finanzministerium haben die deutschen Banken ihre Anleihenbestände um fast ein Drittel reduziert. Vermutlich hätten die Banken gern noch mehr griechische Papiere abgestoßen. Nur – an wen? Wer kauft diese Anleihen noch?
Auf Computerschirmen überall auf der Welt tauchen sie auf, die Käufer, die vermeintlich letzten Freunde Griechenlands. Zum Beispiel im dritten Stock eines kleinen Bürohauses im Städtchen Zug in der Schweiz.
Der Finanzmarkt ist zum Flohmarkt geworden, nur Zocker investieren noch
Hier arbeitet Markus Tischer, 42, Portfoliomanager beim kleinen deutschen Bankhaus Bantleon, 1991 gegründet in Hannover, 1994 umgesiedelt in die Schweiz, der niedrigen Steuern wegen. Bantleon ist Spezialist für das Management von Anleihen, allerdings legt Tischer Wert darauf, nie viel Geld in griechische Papiere gesteckt zu haben. »Wir haben immer schon auf Sicherheit gesetzt«, sagt er.
Die wenigen Anleihen, die Bantleon besaß, hat die Bank schon Anfang 2010 verkauft. Den Markt beobachtet Tischer trotzdem. Er sieht ihn auf seinem Monitor: Grün, orange, blau und violett flimmern Kurse vorbei, Kauf- und Verkaufsangebote. Es ist Montag, der 27. Juni 2011, eine britische Großbank will griechische Anleihen in Höhe von zehn Millionen Euro kaufen. So steht es da. Die Briten glauben noch an Griechenland.
Tischer schmunzelt. Er weiß, was jetzt kommt. Er tut so, als habe er griechische Papiere abzugeben, klickt auf das Angebot der Briten, ein Moment des Wartens, dann leuchten rote Buchstaben auf dem Bildschirm auf: Rejected. Abgelehnt.
»Es war ein Pseudoangebot«, sagt Tischer.
Die Banken wahren den Schein: Uns geht es gut, wir kaufen alles, auch griechische Anleihen. So soll es aussehen. »In Wahrheit ist der Markt völlig ausgetrocknet«, sagt Tischer. Niemand legt sein Geld mehr in Athen an.
Fast niemand. Ein paar Euro rinnen noch. Die Stuttgarter Börse meldet Umsätze, nicht viel, aber bemerkbar. Von »schmalen Ordermengen« spricht ein Stuttgarter Händler, von »Kleckerbeträgen«. Banken und Versicherungen stecken nicht dahinter. Ihre Milliarden fließen längst in andere Länder. Griechische Staatsanleihen werden nur noch von Kleinanlegern und Zockern gehandelt. Der Finanzmarkt ist zum Flohmarkt geworden.
Man kann dort schöne Schnäppchen machen in diesen Wochen – solange die Euro-Länder ihre Milliarden an Petros Christodoulou überweisen. Solange Griechenland seine Zinsen zahlt und Schulden tilgt, lassen sich mit Staatsanleihen schnell einige Tausend Euro verdienen.
Wer aber kassiert den großen Rest, die vielen Milliarden? Wenn Banken, Versicherungen und Investmentfonds einen Großteil ihrer Anleihen abgestoßen haben, wem gehören sie dann jetzt? Die Kleinanleger konnten sie nicht alle kaufen, ihnen fehlt das Geld. Wohin also fließt der Großteil der 8,4 Milliarden Euro aus Deutschland?
Anleihen im Wert von 50 Milliarden Euro, so steht es auf der Liste, gehören einem einzigen Gläubiger Griechenlands.
Dieser Gläubiger ist eine Bank. Die einzige Bank der Welt, die in den vergangenen anderthalb Jahren im großen Stil griechische Papiere kaufte. Diese Bank kassiert die meisten Zahlungen, die Petros Christodoulou jeden Tag von Athen aus auf den Weg bringt. Sie hat ihren Sitz in Frankfurt, in einem Hochhaus, vor dem ein großes Euro-Zeichen steht. Es ist die Europäische Zentralbank.
Hier hat die Spur des Geldes ihren Anfang, hier nimmt sie ihr Ende. Die EZB streicht die Steuermilliarden ein, die sie von den Euro-Ländern bekommen hat. Und weil diese Bank den Euro-Ländern gehört, kommt das Geld tatsächlich dorthin zurück, wo es herkam: zu den Regierungen. Es ist ein Kreislauf, so wie er bei dem bankrotten Handwerker und seiner Hausbank entstünde, wenn die Bank ihm immer neue Kredite gäbe, damit er die alten zurückzahlen kann.
Eine Hausbank wäre dazu nicht bereit – schon weil der Handwerker irgendwann tot und das Geld verloren wäre. Staaten aber sterben nicht. So könnte die Hilfe für Griechenland ewig weitergehen. Die EZB könnte noch mehr Anleihen aufkaufen, die Bundesregierung noch mehr Geld nach Athen schicken – und den Griechen neue Sparprogramme diktieren, damit die Milliarden auch zurückkommen, samt Zinsen. Die griechische Ökonomie ließe sich so womöglich sogar retten. Dafür hätte man die Demokratie abgeschafft. Denn die griechische Regierung säße dann nicht mehr in Athen, sondern in Brüssel, in Paris oder in Berlin.
Viele Fachleute fordern, die Überweisungen zu stoppen, den Kreislauf zu durchbrechen, dieses Spiel mit den Milliarden, das die Nachrichten diktiert und immer neue Ressentiments zwischen den Nationen schürt. Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Das ist das Argument.
Das Problem ist, dass für diese Geschichte kein Ende denkbar wäre, das kein Geld kostet. Geld, das die Deutschen nach Athen überweisen müssen, wenn sie weiter helfen möchten. Oder Geld, das die Deutschen nach Athen überweisen müssten, wenn sie nicht mehr helfen wollten. Weil dann die griechischen Banken pleite wären.
Und wenn die Besitzer der griechischen Staatsanleihen kein Geld mehr bekämen, würden wohl auch die Besitzer der Anleihen Spaniens und Portugals nervös, weil auch diese Länder hoch verschuldet sind. Dann müsste die Bundesregierung bald Geld nach Madrid und Lissabon überweisen, damit dort nicht alles von vorne beginnt.
Niemand kann berechnen, was teurer wäre. Sicher ist nur: Am 20. August läuft GR 0114019442 aus. Dann braucht Petros Christodoulou die nächsten 6,8 Milliarden Euro.